Manchmal, wenn ich beim Unterrichten so in die Runde geschaut habe, ist mir aus reiner Neugier schon mal die Frage in den Sinn gekommen mit welchem Ziel der oder die Teilnehmer(in) YOGA übt. Wenn es der ein oder andere Teilnehmer mir gegenüber einmal formuliert hat, standen meist klar die sportliche Betätigung und den Ausbau der Beweglichkeit im Fokus der Bemühungen. Ich finde Yoga kann dies gut leisten, bedeutet für mich aber noch viel mehr als das.
Vor allem hat sich für mich das Spektrum „was Yoga kann“ auch während des Zeitraums seitdem ich Yoga praktiziere aufgrund meines Erfahrungsschatzes nochmals ziemlich erweitert. Ein Blick zurück zu den Wurzeln des Yoga, die vor über 2000 Jahren im Yoga Sutra des Patanjali niedergeschrieben wurden, zeigt, dass Yoga eine weitaus breitere Ausrichtung hat. Auch wenn dem Körper eine bedeutende Rolle zukommt, steht eben nicht nur dieser mit seinen anatomischen Fähigkeiten im Mittelpunt, sondern ein gutes Zusammenspiel von Körper, Geist und Atem, um uns in der Gesamtheit unseres Seins wieder in die Balance zu bringen. Das körperliche Üben ist dabei ein Teil des Gesamtkonzepts „YOGA“. Mehr Körperintelligenz mit einem wachsenden Verständnis für die eigenen physischen Zusammenhänge bedeutet, dass hieraus eine Fähigkeit wachsen kann gut mit seinem Körper und darauf aufbauend grundlegend mit sich selbst umzugehen.
Ich finde es unglaublich spannend, wie viel man mit Yoga über sich erfahren kann, gerade wenn zum körperlichen Üben noch bewusst die Achtsamkeit auf den Atem gelenkt wird. Denn Atem und Nervensystem sind so dicht verwoben, dass sich zu jedem Zeitpunkt durch die Atembefindlichkeit auch die Aktivität des Nervensystems und damit zu einem gewissen Grad auch das mentale Befinden ablesen lässt. Und dabei haben für mich oft die einfachen, langsamen Bewegungen eine besondere Bedeutung. Denn insbesondere mühelose Bewegungsabläufe erlauben es uns, uns bei einer Übungssequenz so viel Zeit und Spielraum zu lassen uns aufs Genauste selbst zu beobachten und differenziert wahrzunehmen. Dies gibt uns die Möglichkeit über den ganzen Bewegungsablauf hinweg Auskunft zu erhalten wo wir vielleicht eine Steifheit, Einseitigkeit, Blockade, Stärke, Schwäche, Verspannung o.ä. haben. Und damit ist ein sehr wertvoller Schritt getan. Denn nur was wir bemerkt haben, können wir bewusst ändern. So können wir es schaffen auch für den Alltag zu lernen umsichtiger mit uns umzugehen. Wenn wir wahrnehmen können uns besser zu spüren, bemerken wir eine angespannte Schulter vielleicht schon früher und wir können darauf reagieren, bevor sich die Anspannung zu brüllendem Kopfschmerz ausgeweitet hat, oder wir erkennen schneller, wann wir überlastet sind und finden vielleicht eine Möglichkeit aktuell oder für zukünftige Situationen etwas zu verändern. Mindestens denselben Stellenwert hat die Wahrnehmung unseres Atems. Denn das Zusammenspiel zwischen dem Nervensystem und der Atmung ist keine Einbahnstraße. Üben wir im Yoga den Atem bewusst zu regulieren, so haben wir darüber rückkoppelnd Einfluss auf den Ruhe- und Erholungsmodus unseres Körpers.
Unser Alltag ist meist so voll, dass wir unser Befinden kaum wahrnehmen. Da übergehen wir auch schon mal gerne Grenzen, nehmen Überlastungen erst mal gar nicht so deutlich wahr bzw. was nötig wäre, um uns wohlzufühlen. Sprüche wie „ach, das geht schon noch“ oder „das krieg ich auch noch irgendwie hin“ „es ist ja nicht mehr lange“ o.ä. täuschen darüber hinweg, dass wir eigentlich schon längst im roten Bereich laufen. Wir reißen uns ggf. immer wieder neu zusammen, um Situationen zu bewältigen. Dauerhaft ist dies jedoch keine gesunde Lösung. Gerne suchen wir dann zum Ausgleich eine passive Entspannung oder versuchen dem Alltag zu entfliehen; sind also um ein „Abschalten“ bemüht oder um eine Ablenkung die möglichst wenig Auseinandersetzung mit uns selbst bedeutet, um von unserem Stresspegel wieder runterzukommen. Diese Form der Entspannung möchte ich keinesfalls abwerten, aber ich habe Yoga als eine ganz andere Form des Entspannens und Mit-Sich-Seins kennengelernt. Yoga ist für mich ein Werkzeug das Wohlgefühl im eigenen Beobachten und Tun wiederzufinden – durch die Rückmeldungen unseres Körpers und Atems. Körper und Atem werden dadurch zu einem Instrument, das uns auch im Alltag jederzeit hilfreich sein kann. Sie bekommen die verdiente Achtsamkeit und danken es uns mit Wohlgefühl. Ich freue mich, dass ich auf diese Weise Yoga üben und schätzen gelernt habe.
Ich wünsche euch allen ebenso viel Neugier und tolle Erfahrungen auf eurem eigenen Yogaweg! Namaste!